14. August 2017: Ankunft in Finnland

 

Geschafft! Nach Finnland, meine ich, denn dies ist der erste Eintrag, den ich nicht in Deutschland verfasse.  Am besten, ich lasse den ganzen Tag einfach mal Revue passieren.

 

Um 6:30Uhr klingelt der Wecker, so früh wie lange nicht mehr. Meine Sachen sind größtenteils schon gepackt, ich stopfe also nur noch gegen die Gesetze der Physik die letzten Sachen, die noch fehlen, irgendwie in mein Gepäck. Um 8Uhr ist es Zeit, mich von meinem Vater verabschieden und mich mit meiner Mutter auf den Weg zum Flughafen Düsseldorf zu machen. In Erwartung endlosen Staus haben wir ordentlich Puffer eingebaut, doch die Stadt Köln hat sich anscheinend entschieden, heute doch mal ohne Stau zu verweilen und so kommen sehr früh am Flughafen an. Naja, besser als andersrum.

Dementsprechend ist auch am Check-in-Schalter keine Schlange und ich kann mein schweres Gepäck direkt loswerden. Wir vertreiben uns die Zeit bis ich zum Gate muss mit einem zweiten Frühstück, bei dem wir jedoch nicht zu zweit bleiben. Drei Freundinnen von mir haben sich auch zum Flughafen aufgemacht, um sich dort von mir zu verabschieden und so vergeht die letzte Stunde fröhlich quatschend wie im Flug. Dann ist es jedoch Zeit, auch den letzten Verbliebenen Tschüss zu sagen und ich mache mich auf den Weg durch die Sicherheitskontrolle zum Gate. Beim Boarding gibt es dann einen kleinen Schockmoment: meine Boardkarte wird vom Scanner nicht erkannt. Grund, wie sich herausstellt: die Karte ist einfach zu undeutlich ausgedruckt und der Strichcode kann vom Scanner nicht gelesen werden. Nach kurzer Unterbrechung darf ich dann doch ins Flugzeug. Der Flug ist angenehm mit einem Hauch von unspektakulär. Nach über zwei Stunden ist es dann so weit: ich lande in Helsinki.

Voll freudiger Aufregung stemme ich mein Handgepäck aus dem Fußraum und verlasse das Flugzeug. Nach einer kurzen Suchaktion finde ich das Schild, das mir den entscheidenden Hinweis gibt, wo ich mein Gepäck holen kann. Kurze Zeit später mache ich mich wieder vollbeladen auf den Weg aus der Gepäckhalle. Am Ausgang finde ich Tanja, die mich abholen soll - ihr ICYE-Schild verrät sie. Tanja ist Finnin, arbeitet als Anwältin und lebt etwa 25km vom Zentrum Helsinkis entfernt. Internationale Gäste sind ihr nicht fremd: sie hatte schon alles bei sich von Au-Pair Mädchen bis hin zu Freiweilligendienstlern. Auch ich werde bei ihr zuhause zwei Nächte verbringen, doch bevor es dazu kommt, müssen wir noch eine Stunde am Flughafen warten, da neben mir ein weiterer Freiwilliger bei ihr für zwei Nächte unterkommen wird. Redend und Nudeln essend verbringen wir die Zeit, bis uns Juan Pablo in die Arme läuft. Seine Anreise war ein wenig komplizierter: er ist von New York aus über Stockholm gekommen, ursprünglich kommt er aus Bolivien. Die lustige Multikulti-Truppe, die wir sind, verlassen wir den Flughafen.

Irgendwie schaffen wir es drei Koffer und drei Rucksäcke in Tanjas Auto zu packen und fahren los. Auf der Fahrt freue ich mich über jedes finnische Wort, das ich irgendwo zwischen Äs und Ös wiedererkennen kann. Tanja erzählt dabei ausgiebig von der Gegend und beschwert sich über die ewigen Baustellen, die den Verkehr aufhalten und irgendwie niemals fertiggestellt zu werden scheinen. Das kenne ich doch, denke ich mir still. Manche Dinge sind halt überall gleich.

 „Wir schließen hier nicht einmal ab!“, meint Tanja, als wir schließlich in ihre Wohngegend einbiegen und ich erwidere schlagfertig ein überraschtes „Oh“. Sie erzählt uns von der letzten Deutschen, die da war. Sie hatte damals geantwortet, dass sie, würde sie hier leben, erst einmal in alle (natürlich auch nicht abgeschlossenen) Briefkästen schauen würde, um zu sehen, was die anderen so für Post kriegen. Ich muss ertappt lächeln. Tanja lächelt auch, ich schätze allerdings aus anderem Grund.

An ihrem Haus angekommen laden wir aus und bringen das Gepäck in unsere Zimmer, in denen wir die nächsten zwei Nächte verbringen werden, bis wir zu einem On-Arrival-Camp zur Vorbereitung auf ein Jahr in Finnland fahren. WLAN hat Tanja im Moment nicht, aber über Hotspot lässt sie uns großzügig an ihrem Datenvolumen teilhaben. Stimmt ja - Internet ist nicht überall so teuer wie in Deutschland.

Sie lässt uns ein bisschen ausruhen, oder zumindest so gut das unter der Belagerung zweier abschlecksüchtiger Welpen geht. Dann muss sie nochmal losfahren und lässt uns beiden Freiwilligen allein bei sich zuhause – nach dem sie uns drei Stunden vorher kennengelernt hat. Dieses Vertrauen imponiert mir. Tanja nimmt uns wirklich mit offenen Armen auf – da fällt es leicht, sich schnell zuhause zu fühlen. Juan Pablo will sich von seiner anstrengenden Anreise erholen und schläft ein, kaum dass er liegt; ich hingegen mache mich auf Tanjas Empfehlung zu einem kleinen Spaziergang durch die Gegend auf. Ich genieße die Stille und Grüne, die hier überall vorherrscht. Auf der Fahrt hatte Tanja gemeint, es sei hier typisch für eine finnische Stadt dieser Größenordnung. Ich bemerke, dass auch der Begriff Stadt ein Dehnbarer ist, zumindest hätte ich etwas anderes damit assoziiert. Die Straßen sind relativ klein, die Häuser einstöckig mit dafür großer Grundfläche und oft aus Backstein gebaut und es gibt hier viel Grün in Form von ein bisschen Wald, Wiesen und Feldern, die sich auch zwischen den Wohnsiedlungen finden und so die Stadt zerpflücken. Generell herrscht hier eine sehr angenehme, ruhige Atmosphäre, die ich sehr wertschätze. 

Als ich zurückkomme, lege ich mich hin, um mir auch ein bisschen Ruhe zu gönnen. Ich höre Musik und kommuniziere mit Familie und Freunden zuhause. So vergeht die Zeit und gegen halb 10 kommt Tanja zurück, im Schlepptau Vater und Sohn, nur um dann gleich nochmal einkaufen zu fahren. Jetzt kurz vor 10 merkt man draußen die Dämmerung erst deutlich und ich habe jetzt schon Vorfreude auf nächstes Jahr, wenn es dann im Sommer nicht einmal dämmern wird. Pläne für morgen hab ich konkret noch nicht. Nach Helsinki rein wäre schön, aber ich lasse mich überraschen. Insgesamt habe ich den ersten Tag sehr genossen. Er ist ohne Probleme verlaufen und ich habe das Gefühl, dass es mir hier wirklich gefallen wird.