28. August 2017: Der erste Arbeitstag

 

Heute war ein aufregender Tag für mich: ich habe zum ersten Mal mein Projekt kennengelernt und einen Blick bekommen in meine Beschäftigung für das nächste Jahr. Hier eine Schilderung, was dabei so alles passiert ist:

 

Um 7Uhr klingelt der Wecker. Aus dem Schlaf gerissen werde ich allerdings nicht, denn meine innere Uhr hat mich schon vorher geweckt. Nachdem ich aufgstanden bin, geduscht und auch den Rest der Morgenroutine vollzogen habe, mache ich mich auf in das Gebäude auf dem Campus, in dem sich das Restaurant mit meiner Frühstücksgelegenheitbefindet. Zum Glück weiß ich von Freitag noch den Weg dorthin.

Das Essen gestaltet sich allerdings nicht so einfach wie erhofft. In einer Mischung aus Englisch und Finnisch versuche ich dem Mann am Büffet klarzumachen, warum ich jetzt nicht bezahlen muss, habe aber auch selber nicht wirklich eine Idee, wie das Ganze geregelt ist. Ich weiß nur, dass ich hier Frühstück und auf dem Campus in Espoo, wo ich arbeite, Mittagessen kriege.

Wir lösen das Problem, indem wir beim Büro anrufen. Der zuständige Herr weiß meine Situation besser zu erklären und ich kann mir mein Frühstück holen. Das Angebot ist nicht überwältigend, aber mit Brötchen und Käse bin ich eigentlich auch schon zufrieden. Ach ja, der Kaffee darf natürlich auch nicht fehlen.

Gesättigt und gestärkt hole ich meinen Rucksack aus der Wohnung und gehe zur Bushaltestelle direkt an der Schule. Dort soll ich Marika treffen, die mir heute den Weg zur Schule in Espoo zeigen soll. Wir finden uns direkt und laufen 10 Minuten zu einer anderen Bushaltestelle, von der aus ich einfach durchfahren kann. Damit kann ich als Arbeitsweg leben.

Nach 20-minütiger Fahrt steigen wir aus und laufen noch ein paar hundert Meter, bis wir im richtigen Schulgebäude ankommen. Schüler sind 20 Minuten vor Unterrichtsbeginn noch keine da, dafür werde ich ein bisschen rumgeführt und den anwesenden Kollegen vorgestellt. Dazu gehören Clara und Galli, letztere wird zusammen mit Marika heute den Unterricht in meinem Kurs machen, da Maija erst Mittwoch wieder da ist. Außerdem gibt es noch, der ganz begeistert ist, dass er in mir einen weiteren Kafeetrinker gefunden hat, da er im Team sonst tatsächlich der Einzige ist.

Um 9Uhr ist es Zeit für Unterricht. Über diesen selbst weiß ich bis jetzt, was Maija mir am Freitag erzählt hat: es geht um lebenspraktische Vorbereitung. Das kann alles sein von Verhalten in Meetings über gemeinsames Kochen bis hin zu einfacher Mathematik. Außerdem hat Marika mir auf der Busfahrt noch erklärt, dass ich zunächst eine beobachtende Rolle spielen werde und mit der Zeit mich dann mehr involvieren uns eigene Sachen starten kann.

Aufgrund meines heutigen Zutritts zur Runde beginnt der Unterricht nach der Vorstellung des Wochenprogramms erstmal mit  einer kleinen Vorstellungsrunde. Dabei beantwortet jeder die üblichen Fragen wie "Mikä sinun nimi on?" (Wie heißt du?), "Mitä harrastat?" (Was machst du als Hobb?) etc... Was jeder macht, weiß ich nicht mehr, die Namen kriege ich aber noch hin: da sind Carl-Johannes, Johannes, Nuutti, Lauri, Otso, Tuomas, Jesse und Tom und die beiden Mädchen Rozeen und Nettä. Ich bin als letztes dran und versuche mich in Finnisch, einiges kann ich auch über mich erzählen, brauche dann aber doch Hilfe. Zwei der Schüler können ganz gut Englisch und dolmetschen ein wenig, der Rest spricht allerdings nur Finnisch.

Danach laufen wir eine Runde über das Geländer, wobei mir ein Schüler auf Englisch erklärt, warum wir wo hingehen. Hier werden zum Beispiel manche mit dem Taxi abgeholt nach der Schule, dort ist die Kantine und wieder woanders ist ein Grillplatz. Die Schülerinnen und Schüler reden dabei auch ein bisschen Finnisch unter sich. Ich versuche, so viel wie möglich aufzuschnappen, mehr als eine grobe Ahnung, worum es geht, kriege ich aber nicht.

Nach der Vorstellung des Geländes steht der "Lenkki" an, was einfach einen längeren Spaziergang bedeutet. Die frische Luft tut ganz gut, außerdem lerne ich die Gegend um die Schul herum kennen. Johannes, der auch schon die Führung übernommen hat, erzählt mir währenddessen begeistert von einem seiner Lieblingscomputerspiele. Ich kann zwar nicht wirklich antworten und gebe nur immer mal wieder ein erstauntes "Oh" von mir, das stört aber seinen Redefluss nicht und ich gebe mein Bestes, ihm zu folgen.

Nachdem wir wieder in der Schule angekommen sind, ist es Zeit fürs Mittagessen. 12Uhr ist dabei für mich eine ungewohnt frühe Zeit. Das eigentliche Problem liegt allerdings darin, dass ich schon vor meinem inneren Auge die Szene durchspiele, wie ich wie heute morgen versuche, zu erklären, warum ich nicht bezahlen muss. Zum Glück springt Marika ein und klärt das ganze für mich. Ich frage mich trotzdem, wie das die nächsten Tage weitergehen soll, ich kann ja nicht auf Dauer irgendwelche Leute vorschicken.

Nach dem Essen und der anschließenden Mittagspause steht eine Gruppenarbeit an. Die Schülerinnen und Schüler haben sich letzte Woche auf einen Namen für ihre Gruppe geeinigt und sollen nur ein Plakat damit entwerfen, das aufgehangen werden soll. Das ganze dient zu einer Meetingssimulation. Es wird jemand gewählt, der mitschreibt, wer was zu tun hat, außerdem gibt es einen Gesprächsführer. Es ist höchst interessant, die Dynamik in der Gruppe zu beobachten. Wer bringt sich wie ein, wer eher weniger? Nach der Ausarbeitung des Konzepts steht die praktische Umsetzung an. Das Endprodukt ist eine Überraschung für mich: die Gruppe hatte sich den Namen "School of happiness" gegeben, allerdings ´herrschen dunkle Farben vor und das Plakat sieht gar nicht so happy aus, worin Marika mir zustimmt.

Inzwischen ist es 15Uhr, was das Ende für den heutigen Tag bedeutet. Die Schüler und das Team, zu dem ich nun auch gehöre, machen sich auf nach Hause. Dort angekommen denke ich nochmal ein bisschen über den Tag nach. Ich verstehe nun voll und ganz, warum ich erstmal eine observierende, begleitende Rolle habe. Ich muss erstmal die Gruppe ein wenig kennenlernen, bevor sie auch mir soweit vertrauen, dass ich mehr Verantwortung übernehmen kann, bzw. alle mir gegenüber offen sind. Außerdem muss ich herausfinden, wo die Grenzen darin liegen, was ich mir mit der Gruppe vornehmen kann. Es sind schließlich am Ende des Tages doch Menschen, die irgendeine Behinderung haben, auch wenn es nicht angenehm ist, das so niederzuschreiben.

Dazu kommt die sprachliche Barriere. Auch wenn wenige Schüler Englisch können, ist es doch mein Ziel zu allen eine Bindung aufzubauen. Dies kann mir erst gelingen, wenn ich auch verbal mit allen kommunizieren kann. Der positive Nebeneffekt davon ist, dass meine Motivation Finnisch zu lernen größer denn je ist.

Den nächsten Eintrag werde ich am Ende der ersten Arbeitswoche verfassen, ein wenig Bilanz ziehen und dann auch hoffentlich mit Bildern einen kleinen Eindruck geben können. Und wer weiß, vielleicht kann ich bis dahin auch schon den oder anderen Satz mehr verstehen.